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27-06-2006

Kolumne 42

Eines der Hauptprobleme, mit denen sich die kalifornischen Gefängnisse beschäftigen, betrifft die grauenhafte Qualität der Gesundheitsfürsorge für die Gefangenen. Gerade besagte der Bericht einer unabhängigen Kommission, welche die Gesundheitsfürsorge in Kaliforniens Gefängnissen kritisch unter die Lupe genommen hatte. Das Ergebnis dieser Untersuchung fiel so katastrophal aus, das der kalifornischen Regierung nichts anderes übrig blieb, als selbst die Verantwortung für die medizinische Betreuung zu übernehmen. Die Situation in den Gefängnissen Kaliforniens hatte sich derart verschlimmert, dass pro Woche ca ein Häftling an den Folgen ungenügender medizinische Versorgung starb. So weit mir bekannt ist, übernahm daher die kalifornische Regierung die Verantwortung für die medizinische Betreuung im März 2006. Deren Aufgabe sollte es eigentlich sein, die schlimmen Zustände zu verbessern, in der unser Gesundheitssystem jetzt steckt. Während all der Jahre hier sah ich immer wieder Menschen aus gesundheitlichen Gründen sterben. Ich weiß nicht, ob das durch die schlechte Qualität oder gar das Fehlen medizinische Versorgung geschah, oder ob diese Menschen auch dann gestorben wären, wenn sie medizinische Hilfe erhalten hätten.

Vor ca 10 Jahren bekam ich den Brief einer Frau, die mir berichtete, wie sie versuchte, gerichtlich gegen das kalifornische Gesundheitssystem vorzugehen, weil ihr Bruder, der in einem der Gefängnisse eine Haftstrafe verbüßte, während der Haftzeit starb. Eigentlich wollte ich ihr damals antworten, aber der Brief verschwand während einer routinemäßigen Zellendurchsuchung. Ich vermute, der Brief wurde irrtümlich mit einem Stapel Papier entsorgt.

Ein Mann, den ich hier im Todestrakt kennenlernte, sein Name ist Jeff Hawkins, bekam vom medizinischen Personal hier gesagt, dass er noch ca. ein Jahr zu leben hätte. Das war vor vier Monaten, dass er diese Prognose bekommen hatte. Ich denke, sein Fall ist ein gutes Beispiel für die Probleme mit der medizinischen Behandlung hier im Gefängnis. Dieser Mann versuchtseit vier oder fünf Jahren, hier eine medizinische Behandlung für seine Lebererkrankung zu bekommen. Doch alles, was das medizinische Personal von San Quentin tut ist, den Fall auf die lange Bank zu schieben. Hawkins musste deswegen bereits eine formale Beschwerde an verschiedene übergeordnete Stellen schicken, ehe er sich an den Gefängnisdirektor von San Quentin persönlich wenden durfte. Laut Hawkins bekam er von keiner dieser Stellen jemals Hilfe; viel mehr wurde er weiter hingehalten und sogar angelogen. Hätte er, statt der Vertröstungen eine adäquate Therapie erhalten, wäre es sicher möglich gewesen den Prozess der Leberzerstörung aufzuhalten, oder zumindest zu verlangsamen. Doch weil ihm die Therapie verweigert wurde, ist er jetzt im Endstadium und hat nur noch wenige Monate zu leben, und bis heute erhält er keinerlei medizinische Behandlung.

Ich habe schon von ähnlichen Fällen gehört, aber diesen Fall kenne ich nun aus erster Hand. Vielleicht wird sich ja nun etwas ändern, da die Regierung Kaliforniens die Verantwortung für das Gesundheitssystem in den Gefängnissen übernommen hat. Ich bin da skeptisch, aber wir werden ja sehen … Ich denke, eine der Hauptsorge der Menschen in den Gefängnissen (nicht nur im Todestrakt) ist, irgendwann während der Haftzeit ernsthaft zu erkranken und dann medizinische Hilfe zu benötigen. Und das in einem System, welches keinerlei Behandlungen anbietet, ein aktives Eingreifen vermeidet und nach Entschuldigungen sucht, um eine medizinische Behandlung abzulehnen. 

So schlimm, wie die medizinische Versorgung in kalifornischen Gefängnissen auch ist, um so wichtiger sollte die psychologische Betreuung sein. Ich denke, hier gibt es eine ausgewachsene Krise. Seit Präsident Reagan 1980 sämtliche psychologische Betreuung aus dem Plan gestrichen hat, werden Gefängnisse mehr und mehr dazu benutzt, psychisch Kranke in ihnen unterzubringen. Ich habe keinerlei genaue Informationen darüber, wie viel Prozent der Strafgefangenen in Wirklichkeit in psychiatrische Einrichtungen gehören. Es würde mich allerdings nicht überraschen, wenn sich der Prozentsatz auf 50 oder gar mehr beliefe, die psychiatrische Behandlung nötig hätten. Ich hoffe nur, dass bei der medizinischen Betreuung die psychologische Behandlung nicht vergessen wird.

Das ist für heute alles. Ich wollte mich nur mal zu diesem Thema äußern.
Danke und die besten Wünsche für Euch.
Dean