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Kolumne 8

Ich habe es geschafft, ein Farbband in die Hände zu bekommen. Entschuldigt die Verzögerung, und ich hoffe, daß das Farbbandproblem gelöst ist . . . zumindest solange, bis sie wieder "verschwinden".

Als allererstes möchte ich sagen, daß ich für die netten Worte und die Briefe der Unterstützung dankbar bin, die ich als Antwort auf das bekommen habe, was ich geschrieben habe. Es ist gut zu wissen, daß das, was ich geschrieben habe, auch gelesen wird, weil ich mich meistens so fühle, als würde ich in ein Vakuum schreiben. Es ist gut zu wissen, daß das nicht der Fall ist.

So reizvoll es auch war, da es sich anbot, habe ich es bisher vermieden, über den O.J. Simpson Prozeß zu sprechen. Ich bin sicher, daß die meisten Leute es genauso satt haben wie ich. Mehrere Leute jedoch, mit denen ich gesprochen habe, haben versucht verschiedene Vergleiche zu ziehen, zwischen dem, was im O.J. Prozeß passiert ist und dem, was ich und andere hier im Trakt durchgemacht haben. Deshalb denke ich, daß ich ein paar Dinge dazu sagen sollte.

Es scheint so, als gäbe es - was die Meinungen in diesem Fall betrifft - kaum ein Mittelmaß. Die Leute sind extrem für oder gegen ihn eingestellt, wenn es darum geht, ob er schuldig ist oder nicht. Ich bin da keine Ausnahme . . . aber was ich denke, darauf kommt es hier nicht an. Egal, ob ich denke, er hat es getan oder nicht getan, das wurde irrelevant, sobald im Prozeß herauskam, daß das Polizeipräsidium von Los Angeles dabei manipuliert und Beweismaterial fingiert hatte. Sobald ich das gehört hatte, war alles andere nicht mehr wichtig. Manche argumentieren, daß das Beweismaterial gegen ihn überwältigend und nicht zu widerlegen war. Aber wer kann sagen, wo das fingierte Beweismaterial aufhört und das rechtmäßige anfängt? Da es ausgeschlossen ist, das festzustellen, hatte die Jury keine andere Wahl, als O.J. freizusprechen. Das beste Zitat, das ich gehört habe und das zusammenfaßt, was ich denke, war, "Das Los Angeles Polizeipräsidium hat einen Schuldigen geschaffen".

Was mich stört ist, daß es die Politiker, Staatsanwälte und Interessengruppen, wie die, die sagen, sie seien für die Rechte der Opfer, den O.J. Fall in Zukunft für ihre eigenen Interessen ausschlachten werden. Es sieht so aus, als würde die Öffentlichkeit im allgemeinen diesen Leuten alles, was sie als Wahrheit anbieten abkaufen, und ich habe keinen Zweifel daran, daß sie sich schon daran gemacht haben, den O.J. Fall als Beispiel dafür zu benutzen, wie verdreht unsere Rechtsprechung ist, und wie sie in Ordnung gebracht werden kann, damit das nicht noch einmal passiert. Aber in Wirklichkeit zeigt der O.J. Prozeß nicht, wie Gerichte tatsächlich arbeiten. Der Todestrakt ist voll von "Schuldigen, die die Cops geschaffen haben". Aber hier im Todestrakt (und überall in den Gefängnissen) sitzen auch Menschen, die nicht schuldig sind, aber gegen die von Seiten der Cops manipuliert und gegen die Beweise fingiert wurden, und sie sind es, die schließlich dafür bezahlen müssen, was im O.J. Fall passiert ist.

Der Kommentar, der meiner Meinung nach alles übertrifft, was ich über den O.J. Prozeß gehört habe, wurde abgegeben, als ich an dem Abend, an dem ihn die Jury freigesprochen hatte, die Nachrichten im Fernsehen sah. Was die Nachrichtenmedien mit Vorliebe machen und an den Zuschauer als legitime Nachrichten weiter geben: Sie halten Leute auf der Straße an und lassen sie sagen, was sie denken. Sie fragten diese junge Frau, die aussah als wäre sie vielleicht eine College Studentin, was sie über das Urteil dachte, und ihre Antwort jagte mir einen Schauer über den Rücken. Sie sagte, daß sie lieber 10 Unschuldige für etwas, das sie nicht getan hatten, im Gefängnis sehen würde, als daß sie einen Schuldigen in Freiheit sehen wollte. Als ich sie das sagen hörte, wurde mir wirklich klar, daß es für uns hier im Todestrakt enorm viel härter wird, um unser Leben zu kämpfen.

Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, daß, wenn jeder hier im Todestrakt das Geld und die Quellen hätte, die O.J. für seinen Prozeß hatte, mindestens 90% von uns "Lebenslänglich ohne Begnadigung" hätten oder frei wären. Aber niemand hier kann sich ein "Dream Team" leisten. Es macht mir nichts aus, daß O.J. es sich leisten konnte, er hat sein Geld redlich verdient. Ich wünschte nur, daß ich in der Lage gewesen wäre, mein Leben so zu verteidigen, wie es ihm möglich war.

Nur um meinen Standpunkt klarzumachen, möchte ich Euch ein wahres, wenn auch extremes Beispiel dafür geben, was den Leuten hier im Todestrakt zur Verfügung stand, im Vergleich zum O.J. Prozeß. Es gibt ungefähr sieben Leute, die im Bezirk von Los Angeles verurteilt wurden (derselbe Gerichtshof, wo auch O.J. war), und alle sieben wurden in ihren verschiedenen Verfahren vom selben Anwalt vertreten. Nun muß man bedenken, daß wir hier über einen kompletten Prozeß mit Todesurteil sprechen. In einem Prozeß mit Todesurteil gibt es eigentlich zwei Verfahren. Das eine ist die Schiedsspruchphase in der es darum geht, über Schuld oder Unschuld einer Person zu entscheiden. Wenn du verurteilt wirst, gehst du durch ein weiteres Verfahren, in dem entschieden wird, ob du die Todesstrafe oder „Lebenslänglich ohne Begnadigung" bekommst. Für die sieben Leute, die mit diesem einen Anwalt den Prozeß geführt hatten, dauerte das ganze Verfahren, sowohl Schiedsspruch, als auch Urteilsfindungsphase zusammen zwischen zwei und vier Tagen, die Auswahl der Jury eingeschlossen. Ich kann nichts über Schuld oder Nichtschuld dieser Leute aussagen, aber ich weiß, daß es nicht möglich ist, ein komplettes Gerichtsverfahren in einem Fall mit Todesurteil in zwei Tagen durchzuziehen. Verflixt, man kann ein Verfahren wegen Trunkenheit am Steuer länger hinziehen.

Gegen diesen Anwalt, von dem ich hier rede, wird von einer der "California Attorneys groups" [Kalifornische Rechtsanwalt Gruppe] ermittelt und ich habe gehört, daß die Möglichkeit rechtlicher Maßnahmen gegen ihn besteht, aber ich bezweifle, daß irgend etwas dabei herauskommt. Bis zu dem Zeitpunkt, als andere Strafverteidiger damit begannen, deshalb Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, haben die Richter sehr gern, diesen Anwalt für Fälle bestellt, die in ihrem Gerichtssaal stattfanden.

Ich kenne die Situation derjenigen nicht, die von diesem Anwalt vor Gericht vertreten wurden. Am obersten Gerichtshof von Kalifornien gibt es einen "Catch all" [fangt alle] Beschluß, den sie mit Vorliebe bei Berufungsprozessen anwenden. Es handelt sich um etwas, das sie "Harmless Error" [unwesentlichen Fehler] nennen. Das wenden sie auf einen Fall an, wenn sie herausfinden, daß in einem Verfahren Fehler gemacht wurden. Anstatt den Fall an das übergeordnete Gericht zurückzuschicken, so daß eine Jury über Schuld oder Unschuld einer Person entscheiden kann, übernimmt es der Oberste Gerichtshof selbst, dieses Urteil zu fällen. Sie behaupten dann, daß der Fehler keine große Angelegenheit war und daß die Jury die Person sowieso verurteilt hätte. Nun, entschuuuuldigt vielmals, wenn ich mich hier in die Brust werfe und die amerikanische Flagge hochhalte, aber basiert nicht das gesamte amerikanische Rechtssystem auf der Prämisse, daß Du vor eine Jury von Deinesgleichen gestellt wirst, und daß es nicht das Gericht ist, das über Schuld oder Unschuld einer Person entscheiden kann, sondern daß das durch die Jury erfolgen soll? Vielleicht habe ich das Treffen versäumt, bei dem sie das geändert haben. Wenn sich das für Dich wie eine Bagatelle anhört, dann würdest Du das vielleicht anders empfinden, wenn es um dich oder jemanden, den Du liebst, ginge, der vor Gericht steht.

Ich glaube, daß das alles eine Frage des Geldes ist. Wenn du Geld hast, kannst du dich verteidigen. Ich weiß, wenn O.J. nicht all das Geld gehabt hätte, würde er jetzt hier im Todestrakt sitzen. Ich bin nicht neidisch auf O.J. und all sein Geld. Ich wünsche mir nur, daß ich dieselben Quellen hätte, die er hatte.

Das, was mich am O.J. Prozeß wirklich ärgert, ist, obwohl das Polizeipräsidium von Los Angeles (dieses Mal) dabei ertappt wurde, das getan zu haben, was es im O.J. Fall getan hat, daß sich niemand allzusehr darüber aufzuregen scheint. Es scheint so, als hätten die meisten das achselzuckend abgetan, als wäre es nicht wirklich wichtig. Wenn die Leute denken, daß das, was im O.J. Fall passierte, eine Abweichung war, liegen sie falsch. Das einzige, was in O.J.´s Fall anders war, war, daß er das Geld hatte, sich zu wehren und zu enthüllen, was sie getan hatten. Es ist nicht nur das Polizeipräsidium von Los Angeles, das so etwas macht. Ich denke, daß der Großteil der Polizei dazu tendiert zu "pfuschen", damit Leute verurteilt werden, und es ist keine große Angelegenheit für sie ... das gehört einfach zum Geschäft, solange du schuldig Gesprochene ins Gefängnis werfen kannst, wen kümmert es da schon, wenn ein paar Unschuldige da mit gefangen werden.

So, das wär´s dazu. Ich bin fertig bis zum nächsten Mal. Ich hoffe nur, daß ich nicht zu viel geschwätzt habe und daß es mir gelungen ist, Euch über das, was ich gesagt habe, zum Nachdenken zu bringen. Es ist nicht einfach, das zu erklären und schlüssig darzustellen. Ihr sollt nur nicht denken, daß O.J.´s Verfahren zeigt, wie Gerichtsverfahren ablaufen.

Bis später,
Dean