Kolumne 21
Für den 17.November 98 war hier in San Quentin eine
Hinrichtung angesetzt, glücklicherweise fand sie nicht statt.
Der Mann, den sie hinrichten wollten, Jaturun Siripongs (oder
Jay) hatte seine letzte Mahlzeit erhalten und war in der
Beobachtungszelle neben der Hinrichtungskammer. Ein paar Stunden
ehe die Hinrichtung stattfinden sollte, schaltete sich das
Gericht ein und stoppte sie. Der Grund für die Aussetzung der
Hinrichtung liegt darin, daß der jetzige Gouverneur von
Kalifornien (Wilson) versuchte ein Ding zu drehen. Da er im
Januar aus dem Amt gefeuert werden wird, war dies seine letzte
Chance, noch jemanden zu töten,ehe er sein Amt verlassen muß -
deshalb wollte er nicht, das irgend etwas diesen letzten kleinen
Nervenkitzel vorher noch verderben sollte. Begründet wird die
Aussetzung der Hinrichtung mit der Art, wie Gouverneur Wilson die
Anhörung zum Gnadengesuch durchführte. Er erzählte Jay's (für
das Gnadengesuch zuständigen) Rechtsanwälten, er werde keine
neuen Informationen zulassen, die als Argumente für Jay's
Unschuld angeführt würden. So schloß der Gouverneur für die
Anwälte die Möglichkeit aus, für Jay auf unschuldig zu
plädieren. Als dann die Anhörung durchgeführt wurde, lehnte er
es ab, das Gnadengesuch anzuhören und ordnete an, die
Hinrichtung weiter zu betreiben - mit der Begründung, es gebe
KEINE Information, die beweise, daß Jay zu Unrecht verurteilt
worden sei oder die auf seine Unschuld hinweise - genau die
Information, die die Rechtsanwälte nach den Anweisungen des
Gouverneurs nicht vorlegen durften. Sobald das Gericht dies
erkannte, wurde die Hinrichtung abgebrochen, und es ordnete eine
neue Anhörung für den 3. September an. Wenn das Gericht dann
anordnet, daß die Hinrichtung durchgeführt wird, so wird
Kalifornien dann einen neuen Gouverneur (Davis) haben, und
vielleicht wird er vernünftiger sein.
Jay stellt für die Politiker ein echtes Dilemma dar,
besonders für die, die damit Wahlkampf machen, wie hart sie
gegen Kriminalität vorgehen und wie sehr sie die Todesstrafe
unterstützen. Jay ist ein in Thailand geborener buddhistischer
Mönch. Es gibt starke Beweise für seine Unschuld, aber da Jay
nicht bereit ist, an dem Schuldigen zum Verräter zu werden (wie
unamerikanisch), wurde er dazu verurteilt, für das Verbrechen zu
sterben. Obwohl er bereitwillig seine eigene Tatbeteiligung
zugibt, ist Jay wegen seines buddhistischen Glaubens nicht
bereit, den Namen dessen zu nennen, der die Tat (Raubmord)
tatsächlich begangen hat. Was Jay's Fall so einzigartig macht
ist die Tatsache, daß die Familie des Opfers darum gebeten hat,
ihn am Leben zu lassen. Nicht nur das, auch ein ehemaliger
Direktor von San Quentin, viele Gefängniswärter und die
Regierung von Thailand haben alle den Staat von Kalifornien
gebeten, einen Gnadenerlass auszusprechen. Aber Gouverneur Wilson
wollte sich von niemandem den Spaß verderben lassen und
ignorierte das alles. Wenn Jay's nächster Termin kommt, wird der
neue Gouverneur von Kalifornien (Davis) imj Amt sein, und die
Verantwortung wird ihm zufallen. Was für ein Dilemma für einen
Gouverneur, der während seiner Wahlkampagne seine Unterstützung
für die Todesstrafe als eine seiner Qualifikationen für das Amt
darstellte. Man kann nur hoffen, daß Davis sich durch seinen
Wunsch, zu beweisen, was für ein harter Gouverneur er ist, nicht
davon abbringen lassen wird, das Richtige zu tun und Jay's Strafe
in lebenslänglich ohne Bewährung umzuwandeln.
Zum Thema der Unschuldigen, die zum Tode verurteilt werden:
Am Wochenende des 14. November 98 wurde in Chicago eine Konferenz
abgehalten. (Dank an denjenigen, der mir den Artikel geschickt
hat.) Es war eine Konferenz über Fehlurteile und die
Todesstrafe. Es nahmen auch 30 ehemalige Häftlinge (sowohl
Männer als auch Frauen) daran teil, die zu Unrecht für schuldig
befunden und zum Tode verurteilt worden waren. Seit 1977, als die
Todesstrafe in den USA wieder eingeführt wurde, gab es 75
Männer und Frauen, deren Unschuld an den Taten bewiesen wurde,
für die zu sterben sie verurteilt worden waren, und die
freigelassen wurden.
Obwohl die Konferenz interessant ist, ist sie nicht das,
worüber ich sprechen möchte. Es ist ein anderer Aspekt der
Verurteilung von Unschuldigen zum Tode, den ich darstellen
möchte. In den USA hat es (seit Wiedereinführung der
Todesstrafe 1977) ein Verhältnis von sechs durchgeführten
Hinrichtungen gegeben zu einem Menschen, der für unschuldig
befunden wurde, nachdem er für etwas zum Tode verurteilt worden
war, was er nicht getan hatte. So entsetzlich diese Statistik
ist, ich denke, sie ist ein bißchen irreführend. Ein unschuldig
Verurteilter auf sechs Hingerichtete ist an sich schon schlimm
genug, aber ich denke, die Zahl der Unschuldigen sollte höher
angesetzt werden. Ich sage das, weil in einem Fall nicht weiter
nachgeforscht wird, nachdem er (der Verurteilte) hingerichtet
wurde. Um den Fall von Tom Thompson als Beispiel zu nehmen: Es
gab genügend Beweise für seine Unschuld, um weitere Anhörungen
und Nachforschungen zu rechtfertigen, aber nachdem Tom
hingerichtet war, wurden alle Bemühungen seine Unschuld zu
beweisen eingestellt. So wurde er zu einem von den sechs
Hingerichteten statt zu einem von denen, deren Unschuld bewiesen
wurde. Mit Jay ist es dasselbe, falls er hingerichtet wird, wird
er einer von den sechs, die getötet wurden, anstatt zu den
Unschuldigen gezählt zu werden. Ich habe von zahlreichen anderen
Fällen (überall in den USA) gehört, wo die verschiedenen
Staaten Leute hingerichtet haben, bei denen es genug
Beweismaterial gab, um zu untersuchen, ob sie unschuldig waren,
aber die Gerichte gaben den Häftlingen nicht genügend Zeit
(oder Mittel) um es zu beweisen. Wer kennt also die wahre Anzahl
derer, die unschuldig zum Tode verurteilt wurden? Offensichtlich
wollen die Staaten nicht, daß die Zahl derer wächst, die für
unschuldig befunden werden. Ich nehme an, das würde das System
schlecht aussehen lassen, und die Staaten wissen, daß der Fall
abgeschlossen wird, sobald sie jemanden hinrichten, und daß
keine weiteren Anstrengungen unternommen werden, um zu beweisen,
daß der Staat einen Unschuldigen verurteilt hat. Somit ist es
(für den Staat) politisch gesehen sicherer, einen unschuldigen
Menschen hinzurichten, als die Wahrheit herauszufinden. Deshalb
habe ich den Verdacht, daß das Verhältnis von Unschuldigen zu
Hingerichteten auf Seiten der Unschuldigen viel höher sein
müsste. Ich könnte Unrecht haben, und ich fordere jedermann
auf, mir das zu beweisen. Das Beunruhigende ist, daß es da alle
diese (erfolgreichen) Anstrengungen gibt, den Berufungsweg zu
beschleunigen und daß weniger Aufwand betrieben wird, um die
Unschuld eines Häftlings zu beweisen sobald er hingerichtet ist.
Ich nehme an, es ist (für diese selbsternannten Verteidiger der
Rechte von Opfern) wichtiger, daß jemand sterben muß, und die
Tatsache, daß er unschuldig sein könnte, ist nicht so wichtig.
So schaffen sie noch mehr Opfer. Aber wie die meisten
egozentrischen und selbstbezogenen Menschen sehen sie in sich
selbst die einzigen Opfer, die zählen.
Ich will hier erstmal aufhören. Dank dafür, daß Ihr Euch
die Zeit genommen habt, dies zu lesen, und ich hoffe, es hilft
Euch dabei, die Todesstrafe in einem anderen Licht zu sehen. Ich
hoffe bald mehr zu schreiben. Wenn Ihr irgendwelche Anmerkungen
habt, bitte zögert nicht, mir zu schreiben, meine Adresse findet
Ihr hier auf dieser Website.
Bis später,
Dean