Kolumne 18
Es gibt da mehrere Dinge, über die ich heute reden will, ein
paar Geschehnisse aus letzter Zeit, zu denen ich gerne Stellung
nehmen möchte. Das eine betrifft den Ausbruch von Schießereien
in der Schule und die Gewalt in amerikanischen Schulen. Und ich
möchte über ein paar Hinrichtungen sprechen, die wahrscheinlich
stattfinden werden.
Ihr alle wißt, daß es während der letzten Jahre eine Menge
entsetzlicher Schießereien in öffentlichen Schulen in ganz
Amerika gegeben hat, und das scheint häufiger und häufiger zu
geschehen. Die Nachrichtenmedien, die ja nicht dazu neigen, etwas
auszulassen, was Entsetzen auslöst, haben diese Schießereien
ausführlich in den Nachrichten und in Talkshows behandelt. Nach
jeder dieser Schießereien in den verschiedenen Schulen habe ich
mir die Berichte der Reporter vom Tatort angesehen. Was mir in
ihren Reportagen besonders auffiel, war weder das verlogene
Mitgefühl, das Reporter so gut ausdrücken können, noch der
Teil mit den armen Leuten, die entsetzt waren über das, was in
ihrer Gemeinde geschehen war. Was mir besonders im Gedächtnis
haften blieb, war etwas, was die Reporter in fast jedem Bericht
sagten. In dem Fall mit dem 11jährigen und dem 13jährigen (ich
glaube, das war ihr Alter) wies der Berichterstatter darauf hin,
daß für diese zwei Kinder die Todesstrafe nicht möglich sei.
Im Fall des Kindes in Oregon, welches all' diese Schüler
erschossen hat, sah ich einen Bericht von einem Reporter "Live
am Ort des Geschehens", der besonders hervorhob, daß
das Kind keine Todesstrafe bekommen könne. Wenn mein Gedächtnis
mich nicht täuscht, dann wurde in den verschiedenen anderen
Fällen jeweils ebenfalls darauf hingewiesen, daß das Kind nicht
mit dem Tode bestraft werden könne.
Dann folgten weitere Diskussionen darüber, wie die Politiker
die Gesetze ändern könnten, um die Todesstrafe auch auf diese
Kinder auszuweiten. Nichts davon ist bemerkenswert, es zeigt
lediglich die typische oberflächliche Berichterstattung, die wir
von den Medien zu erwarten gelernt haben. Nachdem ich diese
Berichte gesehen hatte, begann ich ein wenig darüber
nachzudenken. Die Gewalt in unseren Schulen ist während der
ungefähr letzten 20 Jahre schlimmer und schlimmer geworden. Ich
besitze keine Statistiken, die ich für Euch zitieren könnte,
aber nach meinem Allgemeineindruck sind Gewaltakte an unseren
Schulen fortschreitend härter und häufiger geworden. Ich
wüßte gerne, ob es Statistiken gibt, die die Gewaltrate an den
Schulen mit der Anzahl an Hinrichtungen vergleichen, die die
Regierung im selben Zeitraum durchgeführt hat. Mir scheint es,
als habe die Gewalt sich in Relation zu den Hinrichtungen
während der selben Zeitspanne gesteigert. Wenn irgend jemand im
Besitz von Fakten und Zahlen ist, die die Daten und Anzahl der
Hinrichtungen beziehungsweise die Häufigkeit gewalttätiger
Vorfälle an Schulen zeigen (hier in den USA während der letzten
20 Jahre), dann wäre ich sehr dankbar, wenn Ihr sie mir an die
Adresse am Ende dieser Kolumne schicken könntet.
Es gibt eine Redensart, die mir immer wieder in den Sinn
kommt, wenn ich an diese beiden Themen denke. Ich weiß nicht,
woher sie stammt, aber sie lautet in etwa so: "Mach's wie
ich es Dir sage, nicht wie ich es mache!" Wir alle
wissen, daß Kinder am Beispiel lernen, und wenn sie fernsehen,
dann zeigen all' diese "Reality Shows" wie
Polizisten Gewalt anwenden, um Probleme zu "lösen",
das heißt, Polizisten, wie sie Verdächtige erschießen oder
über einen Verdächtigen herfallen, um ihn zu
"bändigen". Und natürlich ist da unsere Regierung,
das größte Vorbild, was Verhalten betrifft, die das Töten von
Menschen (die Todesstrafe) benutzt, um Probleme zu lösen. Wenn
also die Polizei und unsere Regierung Menschen umbringen können,
um Schwierigkeiten zu bewältigen, und wenn Töten ein Weg zu
Problemlösung in unserer Gesellschaft ist, warum sollten Kinder
nicht denken, daß es für sie ein genauso akzeptabler Weg zur
Bewältigung ihrer Problem ist? Schließlich, wenn Töten falsch
ist, warum sieht es dann so aus, als würde die Polizei
Verdächtige immer töten, und warum sehen unsere Gerichte im
Töten (der Todesstrafe) die Lösung? Nun, es ist etwas zum
Nachdenken. Ich bin neugierig, ob es Statistiken gibt, die irgend
eine Relation zwischen beiden zeigen. Wenn Ihr also entsprechende
Informationen habt,so oder so, bitte schickt sie an mich.
Ich möchte ein wenig über die mögliche Hinrichtung dieses
Mannes hier in San Quentin sprechen. Er hätte schon hingerichtet
werden sollen, aber sie (die Behörden) ordneten eine Anhörung
an, um zu sehen, ob er geistig genügend gesund sei, um zu
morden. Im Grunde genommen war es eine Verhandlung, um
festzustellen, ob er geistig gesund genug sei, um hingerichtet zu
werden. Die Jury befand, daß er das sei (welche Überraschung).
Das einzige Problem liegt darin, daß die Jury größtenteils aus
Leuten bestand, die sehr für die Todesstrafe sind, und die der
Meinung sind, zum Tode Verurteilte sollten kein Recht haben,
gegen ihre Verurteilung in Berufung zu gehen. So sagte die Jury
natürlich, daß der Typ "normal" genug sei, um
getötet zu werden. Dieser Typ (den sie für "normal"
befanden) ist überhaupt nicht "normal". Er
ist in einem katatonischen Zustand (was auch immer das heißt, es
ist das, was die Psychiater sagen), er verbringt den Tag damit,
daß er in seiner Zelle hin- und herschaukelt und ins Leere
starrt. Er weiß nicht, woran er ist oder was mit ihm geschieht.
Die Wände hat er mit Fäkalien beschmiert, zumindest hatte er
das zeitweise. Ich fand es eigenartig, wie die (die
Staatsanwälte) behaupten, er sei hier verrückt geworden,
während er auf seine Hinrichtung wartete. Ich nehme an, sie
können nicht gut zugeben, daß der Kerl schon verrückt war, ehe
er hier in den Todestrakt kam. Schließlich, wenn sie das
zugeben, dann ist die logische Frage, wie jemand, der verrückt
ist, überhaupt für schuldig befunden und zum Tode verurteilt
werden konnte? Dieser Frage wollen sie aus dem Weg gehen.
Der letzte Punkt, über den ich reden möchte, betrifft einen
Typen, dessen Hinrichtung in Kürze angesetzt ist. Letztes Jahr
war das Gefängnis schon so dicht daran, daß es nur ein paar
Stunden bis zu Tom's (er heißt Tom Thompson) Hinrichtung waren.
Er hatte seine letzte Mahlzeit bestellt, sich von seiner Familie
verabschiedet und war in die Zelle gebracht worden, in die man
verlegt wird, bevor sie einen töten. Zu diesem Zeitpunkt
gewährte das 9. Bezirksgericht (Regionales Berufungsgericht)
eine Aussetzung der Hinrichtung. Da es (neues) Beweismaterial
dafür gibt, daß Tom wahrscheinlich unschuldig sein könnte,
wollten sie seinen Fall noch einmal prüfen. Der Oberste
Gerichtshof hat jetzt gerade seine Berufung zurückgewiesen. Es
kümmert sie nicht, daß es Beweise dafür gibt, daß er
unschuldig sein könnte; alles, was ihnen wichtig ist, ist, daß
die Hinrichtung stattfindet, ohne Rücksicht auf die Beweislage.
Ich glaube, ein Großteil dabei ist ein Kampf der Egos. Der
Oberste Gerichtshof der USA mag das 9. Bezirksgericht nicht
(welches die Berufungen in Kalifornien verhandelt), deshalb
stürzt sich der Oberste Gerichtshof auf jede Gelegenheit, dem 9.
Bezirksgericht zu zeigen, wer mehr Macht hat. Es ist eine
traurige Sache, daß die Gerechtigkeit zu einem Kampf der Egos
verkommt, und daß Fakten dabei wenig Gewicht zu haben scheinen.
So werden sie einen Unschuldigen hinrichten, aus dem einzigen
Grund, daß Richter zeigen wollen, wer mehr Macht hat. Ich nehme
an, solange sie ihre zerbrechlichen Egos hätscheln können,
spielt die Tatsache keine Rolle, daß ein Unschuldiger getötet
werden könnte. Wer ist dann also der Mörder?
So, ich denke, das ist alles, was ich für dieses Mal zu sagen
habe, aber ich hoffe bald zurückzusein. Ich habe vor, das
nächste Mal etwas mehr über das Justizsystem zu sprechen. Bis
dann, paßt gut auf Euch auf.
Bis später,
Dean
(P.S. Tom Thompson wurde am 14.7.1998 hingerichtet)