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8/1/1996

Kolumne 9

"Another year bites the dust". [Und wieder beißt ein Jahr ins Gras.] Die Feiertage sind immer die härteste Zeit im Gefängnis, und ich nehme an, daß es hier im Todestrakt sogar noch schwerer ist. Ich persönlich ignoriere es, so gut ich kann, aber einige von den Leuten scheint es zu überwältigen. Sie haben einen von ihnen aufgehängt in seiner Zelle gefunden. Ich bin nicht sicher, ob es einer von den zum Tode Verurteilten war oder einer, von den anderen, die hier im Todestrakt untergebracht sind [s.o. Kolumne # 2], aber es scheint an den Feiertagen öfter zu passieren.

Ich amüsiere mich immer über Silvester. Schlag Zwölf fangen viele hier an zu johlen und zu pfeifen. Ich konnte nie herausfinden, warum. Es gibt einen Cartoon an den mich das jedesmal erinnert, wenn sie anfangen zu johlen. Dieser Cartoon heißt "Mr. Boffo". Ein immer wiederkehrendes Thema von Mr. Boffo ist etwas, das "Menschen, die sich über einen Begriff nicht im klaren sind" heißt Jedesmal, wenn ich das Johlen höre, denke ich mir: das hier ist der absolute Ausdruck von Menschen, die sich über einen Begriff nicht im klaren sind. Da Zeit etwas ist, wovon wir alle sehr wenig haben (im Todestrakt), denke ich, daß das Verrinnen von Zeit zu bejubeln eine dieser bizarren Ironien ist, wie sie in einer Situation wie dieser überall zu finden sind. Um fair zu sein, vielleicht jubeln sie darüber, daß sie ein weiteres Jahr überlebt haben, oder über die Tatsache, daß die Feiertage damit vorbei sind. Was immer der Grund dafür sein mag, ich wünsche Euch allen ein Glückliches Neues Jahr und ich hoffe, daß es für uns alle gut sein wird.

Ich denke, daß es für jeden, der diese Stücke ließt, die ich schreibe, ziemlich offensichtlich sein muß, daß ich keineswegs ein Schriftsteller bin . . . meine Grammatik und Zeichensetzung ist nicht die beste, und manchmal neige ich dazu, ins Schwätzen zu kommen, aber ich bin nur ein Knastvogel, und ich hoffe, daß ihr verstehen könnt, was ich zu sagen versuche. Es ist manchmal frustrierend, weil es schwierig ist, mich auf klare und prägnante Art auszudrücken.

Ich wollte auf ein paar Fragen antworten, die mir geschickt wurden, aber ich werde damit warten und es ein anderes Mal tun. Es wurde wieder eine Exekution angesetzt hier in San Quentin. Sie soll am 26. Januar stattfinden. Falls sie tatsächlich durchgeführt wird, hat er die Todesspritze gewählt, womit er der erste in diesem Bundesstaat wäre.

Ich habe mich bisher nicht entschieden, was ich von der Todesspritze halte. Es ist vorgesehen, daß wir die Wahl haben zwischen Zyanid-Gas und Todesspritze, und wenn ich gefragt werde, was ich davon wählen würde, falls ich je hingerichtet werde, habe ich nie eine Antwort. Ich denke, daß es zu sauber und klinisch gemacht wurde, jemanden zu töten. Als Resultat davon, denke ich, ist es für die Jurys einfacher geworden, die Todesstrafe zu verhängen. So befremdlich es auch klingen muß, ich denke, daß das alles ganz falsch läuft, weil ich denke, daß sie die Exekutionen so grausam und schrecklich wie möglich machen sollten, wenn es dann so weit ist, die Exekution durchzuführen, sollte die Jury, die diese Person dazu verurteilt hat zu sterben, das Urteil vollstrecken müssen. Und vielleicht wäre eine Art der Exekution die, die betreffende Person an einen Pfosten zu ketten und die Jury führt die Schläge aus und muß denjenigen zu Tode prügeln. Letztendlich sollte die Jury, wenn sie sich stark genug fühlt, eine Person zum Tode zu verurteilen, dieselbe Entschlußkraft zeigen, wenn es darum geht, das Urteil zu vollstrecken, anstatt es jemand anderen für sie tun zu lassen. Wahrscheinlich, zu extrem, aber das System hat es für Euch da draußen gar zu leicht und zu annehmbar gemacht, jemanden zum Sterben zu verurteilen. Oder vielleicht, wenn es nicht die Jury ist, die das Urteil vollstreckt, dann könnte man vielleicht ein System entwickeln, wie man das Volk dazu bringen könnte, das Urteil zu vollstrecken und zwar auf die gleiche Art und Weise, wie die Jury in einem Prozeß gewählt wird. Ein Computer wählt die Leute von Wahllisten aus oder von Verzeichnissen der Kraftfahrzeug-Zulassungsbehörden, und so wird nach dem Zufallsverfahren eine Gruppe von Menschen ausgewählt, die das Urteil vollstrecken muß, das über eine Person verhängt wurde. Aber so wie es jetzt ist, wenn Leute in einer Jury sitzen und die Todesstrafe verhängen, wird ihnen das Gefühl vermittelt, als ginge es um eine Art abstrakte Idee, die nicht allzuviel ausmacht. Letztendlich, wenn sie es so dringend wünschen, daß eine Todesstrafe vollstreckt wird, sollten sie bereit sein, den Tod mit ihren eigenen Händen herbeizuführen, anstatt es jemand anderen für sie machen zu lassen.

Noch etwas, was mich an der Exekution durch die Todesspritze beunruhigt ist, daß sie es für die Leute hier im Trakt leichter machen könnte, es einfach hinter sich zu bringen, als um ihr Leben zu kämpfen. Ich befürchte, daß die Todesspritze es jemandem hier drin zu leicht macht, einfach aufzugeben und sich vom Staat töten zu lassen. Die Vorstellung, sich schlafen zu legen und dann nicht mehr an diesem Ort sein zu müssen, ist zu verlockend.

Worüber ich noch sprechen wollte, ist etwas, das ich neulich gehört habe. Es geht darum, daß der Bundesstaat Kalifornien für die Medien alle Interviews mit Gefangenen abgesagt hat. Der Grund dafür ist , wie sie sagen, daß sie darüber besorgt sind, daß die Medien Stars aus Sträflingen machen. Allein der Gedanke ist so lächerlich, daß man sich fragen muß, ob sie das ernst meinen. Aber es sieht so aus, als täten sie das. Ich glaube, daß der wahre Grund, warum sie das tun, der ist, daß sie nicht wollen, daß Gefangene über die Scheiße reden, die im Gefängnis passiert. So lange das System die Leute glauben machen kann, daß jeder im Gefängnis ein Tier ist und kein Mensch, der einmal genauso war wie Ihr, können sie weiterhin tun und lassen, was sie wollen. Das Gefängnis ist nicht mehr daran interessiert, Leute zu rehabilitieren, was kein Geheimnis ist, aber Gefängnisse sind zum großen Geschäft geworden. So lange es Leute gibt, die die Gefängnisse füllen, ist es ein gutes Geschäft, warum sollte das System also daran interessiert sein, Menschen im Gefängnis zu helfen, draußen zu bleiben, das wäre kein gutes Geschäft. Politiker bemühen sich darum, daß ein Gefängnis auf ihrem Gebiet errichtet wird, weil das gut für die Wirtschaft ist und Arbeitsplätze schafft. Wenn es gelänge, Gefangene zu rehabilitieren, müßten sie Gefängnisse schließen . . . so würden Arbeitsplätze verloren gehen. Außerdem gibt es eine Menge Häftlingsarbeit, die im Gefängnis vom "Big Business" ausgenutzt wird. Gefängnisinsassen machen Schalttafeln, Möbel, und andere Produkte, die zuvor von Leuten draußen hergestellt wurden. Einem Häftling 30 Cent pro Stunde zu bezahlen, schlägt mit Sicherheit den Preis von 10,00 $ bis 20,00 $ für einen von Euch da draußen. So können sie, indem sie die Medien davon abhalten, Interviews mit Leuten im Gefängnis zu machen, alle Gefangenen gesichtslos halten als wären es keine menschlichen Wesen, anstatt Euch sehen zu lassen, daß wir menschliche Wesen sind und die meisten von uns genau solche Leute wie, Ihr es seid. Mir selbst macht das nichts aus, ich habe nicht das geringste Verlangen, von den Medien interviewt zu werden, aber es gibt eine Menge Leute im Gefängnis, die wirkliche Anliegen haben, auf die sie die Medien aufmerksam machen können und das ist für sie die einzige Möglichkeit, etwas zu erreichen. Es wird interessant sein zu sehen, wie das ausgeht.

Gut, ich denke, ich habe für dieses Mal genug geschwätzt, deshalb werde ich hier Schluß machen. Ich hoffe, daß ich denen, die mir geschrieben haben, bald antworten kann.

Bis später,
Dean