Kolumne 2
Hallo, ich möchte mit einer kurzen Erklärung zum letzten
Teil beginnen. Jemand hat mich gebeten, zu definieren, was ich
mit "normal" meine. Ich nehme an, daß ich
Normalität unter einen anderen Blickwinkel sehe als Ihr da
draußen darüber denken würdet. Normal ist für mich jemand,
der nur in Ruhe gelassen werden möchte und sich um seine eigenen
Belange kümmert, und ich kann ihm meinen Rücken zuwenden ohne
mir Sorgen zu machen, daß ich erstochen werden könnte. Jemand,
der niemanden belästigt solange er nicht belästigt wird, und
der dann tut, was nötig ist, um sich dem Problem zu stellen.
Genug davon für dieses Mal.
In diesem Teil möchte ich darüber sprechen, wie es ist in
den Todestrakt zu kommen, und ich werde mit der Beschreibung der
physischen Seite von San Quentin beginnen. Später werde ich
über das Leben hier detaillierter berichten, aber die nächsten
paar Teile werde ich benutzen, um das Äußere zu beschreiben und
um den Ablauf bis zu dem Punkt, an dem ich mich befinde,
darzustellen. (Um dabei zu helfen, ist auf dieser Seite ein Foto
von San Quentin abgebildet). Die relevanten Teile, über die ich
zu sprechen gedenke, sind durch Linien gekennzeichnet.
Hoffentlich wird es helfen zu verstehen, worüber ich rede.) Die
meisten werden durch die Kreisgefängnisse, wo ihre Verhandlung
und Verurteilung stattfand, in den Todestrakt überführt.
Als mein Gefängnisbus vor dem Eingangstor hielt, hatte ich
eine Anzahl von Gefühlen; Neugier, Grauen, Wut und eine enorm
starke Anspannung. Ich kann mich an zwei Dinge erinnern, die mir
durch den Kopf gingen. Ich nehme an, daß mein Unterbewußtsein
unter dem Druck, den ich fühlte, anfing zu stottern. Ein sich
wiederholender Gedanke war die Wiedergabe der Zeile aus dem "Wizard
of Oz": "Du bist jetzt weit weg von zu Hause,
Toto!" Und dies wechselte mit Selbstvorwürfen wegen des
Schlamassels, in den ich geraten war.

Als ich durch die Tore ging und das innere Gefängnis betrat,
fühlte ich, wie sich die Haare in meinem Nacken sträubten, und
tief in mir empfand ich eine Kälte, die nichts mit dem Wetter zu
tun hatte. Es war ein Gefühl, als wäre ich um loo Jahre in der
Zeit zurückversetzt. Es war wirklich unheimlich. Aber ich hatte
keine Zeit mich damit aufzuhalten, da alles zu schnell geschah.
Ich wurde ins R&R (Reception & Release = Aufnahme &
Entlassung) gebracht, um für das Gefängnis abgefertigt zu
werden. Hier wurde ich fotografiert, meine Fingerabdrücke wurden
genommen ich bekam Decken und die blaue Gefängniskleidung.
Nachdem dies erledigt war, kamen zwei Wachen, um mich ins
Adjustment Center (Eingewöhnungs-Zentrum) oder A/C zu bringen.
Dorthin bringt man alle Todeskandidaten, bei ihrer Ankunft. Sie
bleiben hier, bis sie das Klassifizierungs-Komitee treffen,
welches entscheidet, in welchem Teil des Todestraktes sie unter
gebracht werden.
Es gibt drei Trakte in San Quentin für Todeskandidaten (oder
Condemnned = Verurteilte). Zu Anfang geht jeder ins A/C und muß
eventuell auch dort bleiben. Ein anderer Trakt ist der
Nord-Block. Dies ist der ursprüngliche Todestrakt, in dem
ungefähr 35 Todeskandidaten einsitzen. Hier werden die
untergebracht, deren Verhalten dem Gefängnis keine Probleme
verursacht. Hier befindet sich auch die Gaskammer. Dann gibt es
den Verurteilten-Trakt II (Condemned Row II). Dieser befindet
sich im Ost-Block, und hier gibt es ungefähr 250 zum Tode
Verurteilte. Im Inneren hat der Ost-Block große Ähnlichkeit mit
einem jener alten Hangars für Zeppeline. Eine riesige Höhlung,
umgeben von Schießgängen, auf denen Wachen auf und ab gehen,
die mit Maschinengewehren und Revolvern bewaffnet sind. Im
Zentrum dieser Höhlung steht der Zellenblock mit fünf
Stockwerken mit Zellen und einem sechsten Stock, welcher als
Vorratslager und für andere Funktionen für den Zellenblock
genutzt wird. Auf der Seite, die der Bucht zugewandt ist (San
Pablo Bay, nördl. von San Francisco; Anm. d. Übers.), sind die
Todeskandidaten untergebracht und auf der Hofseite die Häftlinge
aus dem Normalvollzug oder solche mit schweren mentalen
Störungen, die besonders überwacht werden müssen.
Nachdem ich im R&R abgefertigt war, wurde ich ins A/C
gebracht, wo ich erneut abgefertigt wurde. Dies bestand darin,
daß die Wachen meine gesamte persönliche Habe an sich nahmen,
abgesehen von einem Bleistiftstummel, ein paar Blatt Papier und
einigen frankierten Umschlägen. Ich durfte außerdem meinen Kamm
behalten, ein Stück Seife, und ich erhielt etwas Zahnpulver.
Dazu gaben sie mir eine Zahnbürste, deren Griff zum größten
Teil abgesägt war. Sobald Du das Gebäude betreten hast, stecken
Dich die Wachen in einen Käfig, und Du legst Deine gesamte
Kleidung ab, die dann durchleuchtet wird. Danach wird Dein
gesamter Körper durchsucht, das Haar, das Innere der Ohren, die
Mundhöhle, die Fußsohlen, unter den Hoden; und dann befehlen
sie Dir grinsend, Dich vorzubeugen... was bedeutet, vorbeugen,
damit sie Dir in den Hintern schauen können. Danach legen sie
Dir Handschellen an und holen Dich aus dem Käfig, um einen
Metalldetektor über Deinen ganzen Körper zu führen. Sobald
dies beendet ist, wirst Du in den Käfig gesteckt um, Dich
anzuziehen. Wenn sie Dich für A/C abgefertigt haben, werden sie
Dir eine Zelle zuweisen. Es ist jeweils ein Verurteilter in einer
Zelle.
Im A/C gibt es drei Stockwerke mit jeweils 30-35 Zellen. Zwei
Wachen begleiten Dich zu Deiner Zelle, und sobald Du sie erreicht
hast, bleibst Du vor der Zellentür stehen, die Wache ruft:"Öffnet
Zelle Nr . . . !", und dann gibt es plötzlich ein
zischendes Geräusch, wenn Deine Zellentür aufspringt. Es klingt
wie die Bremsen eines großen Lastwagens, denn die Türen werden
mit Druckluft geöffnet und geschlossen. Wenn Du in Deiner Zelle
bist, brüllt die Wache die Tür zu schließen, es gibt ein
erneutes Zischen,wenn sie mit lautem Knall zuschlägt. Dann wird
die Wache die Essensluke öffnen und Dir die Handschellen
abnehmen. Im Inneren der Zelle ist ein Becken aus rostfreiem
Stahl, eine Toilette, und ein Bett, das aus einer Stahlplatte
hergestellt ist und mit einer Auflage von ca 4 cm Stärke bedeckt
ist. Dies ist Dein Bett. An der Wand über Deinem Bett ist eine
nackte Glühlampe, die schwach glimmend leuchtet. Dann gibt es
noch in der Rückwand eine kleine Schiebetür, welche die Wachen
öffnen können, um hereinzuschauen. An der Vorderseite sind
Gitterstäbe, die mit feinem Maschendraht bedeckt sind, durch den
man gerade mal einen Bleistift hindurchstecken könnte. Ich werde
darüber in einem anderen Teil sprechen. Du wirst hier in der
Zelle bleiben und nur für kurze Zeit (acht Minuten oder so)
herauskommen, um zu duschen.
Nach ein paar Tagen und normalerweise höchstens innerhalb
einer Woche wirst Du vor das Klassifizierungs-Komitee kommen, sie
werden Deine Akte prüfen und entscheiden, wo Du untergebracht
wirst. Ich werde das nächste Mal dazu kommen, für dieses Mal
verabschiede ich mich.
Frieden,
Dean