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Kolumne 20

Am 6. Oktober 1998 hat Amnesty International in den USA eine Kampagne gestartet. Ziel dieser Kampagne ist es, auf die Menschenrechtsverletzungen durch die verschiedenen Bundes-, Staats- und Regionalbehörden aufmerksam zu machen. Es ist nun einige Monate her, daß diese Kampagne begonnen hat, und ich habe seitdem einige Dinge bemerkt, die mich beunruhigen. Am meisten beunruhigt mich, daß die amerikanischen Medien diese Aktion von Amnesty International (a.i.) ziemlich ignoriert haben. Zu Beginn der Kampagne gab es einige kurze Abschnitte in den Vormittags-Talk-Shows und ein paar von den seriösen Nachrichten-Programmen schenkten ihr etwas Beachtung, aber das währte nur kurz, und ich bezweifle, daß die Botschaft viele Leute erreicht hat. Vielleicht packt a.i. das ja alles falsch an und bietet nicht genügend Sex und Gewalt um für die Nachrichten-Medien attraktiv zu sein. Vielleicht sollten sie das also nutzen um die Aufmerksamkeit der Medien zu erreichen - vielleicht ein paar Faustkämpfe und krachende Stühle für die Kameras. Vielleicht könnten sie die Kampagne auch mit einem Oral-Sex-Skandal verbinden - das würde die Medien wahrscheinlich interessieren.

Ich denke, eine Menge Leute im Todestrakt fühlen sich durch den scheinbaren Mangel an Angriffslust seitens a.i. entäuscht. Ich muß sagen, a.i. hat mich an einen hungrigen Menschen erinnert, der mit gesenktem Kopf und dem Hut in der Hand an jemandes Hintertür demütig um ein Almosen bittet. Ich habe meine Enntäuschung gegenüber einer Freundin geäußert, und sie meinte, daß a.i. wegen der starken Unterstützung für die Todesstrafe in den USA vielleicht das Gefühl hat, mit den Amerikanern diplomatisch und nicht zu plump umgehen zu müssen. Das mag stimmen, schließlich lieben es die Amerikaner, andere Länder wegen Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeiten in den jeweiligen Ländern zu kritisieren - wenn es darum geht, selbst Kritik zu akzeptieren, dann reagieren (die meisten) Amerikaner empört darüber, daß irgendjemand die Stirn haben sollte, sie zu kritisieren. Zusätzlich hatte meine Freundin den Eindruck, daß sich a.i. auf einen engeren Bereich beschränke, da es sinnvoller sei, mit den Punkten zu beginnen, die eher Aussicht auf Erfolg bieten - vielleicht ist das der Grund, warum sich a.i. (in den USA) mehr auf die Todesstrafe für Jugendliche konzentriert. Am Ende dieser Kolumne werde ich die Kopie eines Briefes anhängen,den einer der anderen hier im Todestrakt in San Quentin an a.i. (USA) geschrieben hat, um seine Enntäuschung über ihre Kampagne auszudrücken. Mit einigem von dem,was er sagt, stimme ich überein, aber ich versuche auch, die Sichtweise von a.i. nachzuvollziehen, und ich nehme an, daß sie einige Gedanken in diese Kampagne investiert haben. Ich gehe also davon aus, daß sie ihr Bestes tun, in Anbetracht des politischen Klimas und der Unterstützung der Öffentlichkeit für die Todesstrafe in den USA. Ich gebe Euch außerdem die Adresse der Website von a.i., so daß ihr Euch den Report anschauen könnt. (Ich hoffe, daß Ihr das macht.)

Obwohl es einfach ist, a.i. die Schuld zuzuweisen (fürdie mangelnde Beachtung der Kampagne in den USA), glaube ich nicht, daß dies fair ist. Ich denke, die Schuld liegt bei dem amerikanischen Nachrichtensystem, welches sich mehr Gedanken um das Sexualleben der Leute macht als um wesentliche Themen. Meines Erachtens zeigt das einen Mangel an echten Reportertalenten in unseren Medien, so daß sie, um den Mangel an Talent auszugleichen, dazu neigen, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu setzen, d.h. eher auf Sex und Gewalt als auf substantielle Themen. Um fair zu sein, ein paar der seriösen Nachrichtenprogramme (wie Nightline) haben versucht, dieser Art von Themen Aufmerksamkeit zu schenken, aber sie stellen eher eine Abweichung von der Norm dar...Nachrichten, die Substanz haben und einem das Thema so zeigen, daß man anfängt zu denken. Unglücklicherweise scheinen Amerikaner diese Pseudo-Nachrichten-Shows zu bevorzugen, die sich mehr auf leichte Kost und sensationelle Themen konzentrieren.

Das wär's für diesmal - etwas kurz, aber ich wollte nur über diese Kampagne sprechen, die a.i. hier durchführt. Hier ist die Adresse der Website von a.i. und auch der Brief von einem der anderen im Todestrakt von San Quentin.

Amnesty International (USA) Website: http://www.rightsforall-usa.org/info/report

Bis später,
Dean

P.S. Hier ist der erwähnte Brief: Douglas Scott Mickey C-73900 5-EB-78 San Quentin State Prison San Quentin, CA 94974 October 14,1998

AIUSA Campaign Office
304 Pennsylvania Avenue, SE
Washington, D.C. 20003

Ich habe gerade die Herbst 1998 - Ausgabe von 'Amnesty Action' erhalten und den Artikel auf Seite 3 gelesen, mit dem Titel."RECHTE FÜR ALLE : Start der USA-Kampagne".
In diesem Artikel stellt a.i.-USA fest: "Wir werden kämpfen gegen . . . die Todesstrafe (speziell gegen die Hinrichtung jugendlicher Straftäter) . . ."
Weiter wird in dem Artikel festgestellt, daß "die Hinrichtungen jugendlicher Straftäter keine geringfügigen Verletzungen (der Menschenrechte) sind, weil sie (in den USA) stattfinden". Wenn, wie es dieser Artikel darstellt, die Hinrichtung jugendlicher Straftäter das spezifische Thema der a.i.-USA Kampagne ist, dann bin ich zutiefts beunruhigt über die eingeschränkte Wahrnehmung von a.i.-USA betreffend das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit der Todesstrafe.
Obwohl die Hinrichtung jugendlicher Straftäter in den USA eine tragische Menschenrechtsverletzung darstellt -

1. Ist die Hinrichtung geistig behinderter Erwachsener in den Vereinigten Staaten eine geringere Verletzung von Menschenrechten?

2. Ist es eine geringere Verletzung von Menschenrechten, wenn in den Vereinigten Staaten unschuldige Erwachsene hingerichtet werden?

3. ist es eine geringere Menschenrechtsverletzung wenn ein Mißverhältnis der Rassen bei den Erwachsenen besteht, die in den Vereinigten Staaten hingerichtet werden?

4. Ist es eine geringere Menschenrechtsverletzung, wenn es bei den Erwachsenen, die die Todesstrafe bekommen, ein eklatantes Mißverhältnis in den Rechtsfällen gibt? (D.h. ein strafverfolgendes Kreisgericht verurteilt eine Person, die des zehnfachen Mordes für schuldig befunden wurde, zu lebenslänglicher Haft, während eine andere Person vom selben Kreisgericht wegen des Mordes an ein oder zwei Menschen zum Tode verurteilt wird.)

5. Ist es eine geringere Verletzung der Menschenrechte, wenn die reichliche Mehrheit derer, die in den Vreinigten Staaten zum Tode verurteilt werden, jene sind, die es sich nicht leisten können, einen erfahrenen Anwalt zu engagieren, d.h. die Armen und die Ungebildeten?

Zusammen mit mehr als 400 hoffnungsvollen Männern im Todestrakt von Kalifornien habe ich beobachtet, wie a.i.-USA seine "Rechte für Alle"-Kampagne startete - nicht mit Gebrüll - mit einem Winseln. Nach 50 Jahren Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen der Welt scheint es, daß a.i.-USA besser darauf vorbereitet sein sollte (als es ist), eine effektive Kampagne gegen Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Staaten durchzuführen. Zwar wird in dem Artikel in 'Amnesty Action' festgestellt, daß die "Arbeit im eigenen Land"-Regel das Ziel hat, Amnesty's Unparteilichkeit darzustellen . . . Die Dokumentation über a.i.-USAs (Eintreten) gegen Menschenrechtsverletzungen jedoch spricht für sich selbst, und sie besagt, daß a.i.-USA in all' den Jahren alles andere als 'unparteilich' war, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen in den Vereinigten Staaten anzusprechen. Darüberhinaus stellt der Artikel fest, daß die 'Arbeit im eigenen Land'-Regel das Ziel habe, "Aktivisten zu schützen, indem ihre Arbeit an spezifischen Fällen nahe ihrem Wohnort eingeschränkt wird". Wenn die Vereinigten Staaten tatsächlich so ein "mächtiges Symbol für Freiheit und Demokratie" sind, wie a.i.-USA behauptet, warum sollte dann a.i.-USA den Einsatz seiner USA-Aktivisten bei der Kampagne in den Vereinigten Staaten einschränken? Die fügsame Durchführung dieser sogenannten Kampagne erweckt den Eindruck, als sei a.i.-USA eher besorgt darum, möglicherweise seine amerikanischen Mitwirkenden zu verletzen und die finanzielle Unterstützung der Organisation durch die stolzen Verteidiger von Freiheit und Demokratie zu erhalten.

Mit anderen Worten - die 'Rechte für Alle'-Kampagne von a.i.-USA spricht nicht mit einer entschlossenen Stimme moralischer Autorität, eher scheint sie den Hut in der Hand zu halten und mit zögernder, entschuldigungheischender Stimme zu sprechen - so als habe die internationale Mitgliedschaft von a.i. eine Pistole an den Kopf von a.i.-USA gehalten um sie dazu zu bringen, eine Alibi-Kampagne gegen Menschenrechtsverletzungen in den USA durchzuführen.

Hochachtungsvoll,
Doug