12. Februar 2001
Kolumne 30
Das nachfolgende habe ich für jemanden geschrieben, der mich gebeten hat, die 700. Exekution seit
Wiedereinführung der Todesstrafe zu kommentieren. Sie findet voraussichtlich in Texas statt.
Da es aber Euch alle angeht, habe ich es hier ins Netz gestellt.
Passt auf Euch auf,
Dean.
Man hat mich gebeten, über die 700. Hinrichtung zu schreiben, die
für März in Texas angekündigt ist und was sie für mich
bedeutet.
Zunächst einmal möchte ich sagen, es ist schon ironisch,
dass ich über die anstehende 700. Exekution nichts in den amerikanischen
Medien gehört habe. Stattdessen erfahre ich es von einer Person, die
auf der anderen Seite des Planeten lebt. Ich denke, dass zeigt sehr gut,
welchen Stellenwert die Todesstrafe für die amerikanischen Medien
hat. Sie ziehen es vor, sie zu ignorieren oder in den meisten Fällen
nur nebenbei darüber zu berichten. Vielleicht berichten sie mehr darüber,
wenn der Zeitpunkt der Hinrichtung näher rückt. Allerdings nur,
wenn sie es schaffen, nicht weiter über die Möbel zu berichten,
die der frühere Präsident Clinton bei seinem Auszug aus dem Weissen
Haus angeblich mitgenommen hat. Dann berichten sie vielleicht über
die bevorstehende Exekution.
Wie passend, dass die 700. Exekution in Texas stattfindet. Das traurige
ist, die meisten Texaner sind stolz darauf, dass ihr Staat
mehr Menschen hinrichtet als jeder andere. Texas erinnert mich an einen
Schuljungen, der mit gepolsterten Schultern auf dem Schulhof herumstolziert
und irrtümlicherweise seine Grausamkeit und perverse Justiz für
einen Ausdruck von Männlichkeit hält. Ich denke, viele Leute
in Texas glauben, sie würden (in Amerika) dafür bewundert, dass
sie so viele Leute umbringen. Natürlich glauben das nicht alle. Es
gibt eine lautstarke Minderheit, die sich für den Rekord den ihr Staat
bei der Tötung von Menschen hält, zutiefst schämt.
Es freut mich, dass die Unterstützung für die Todesstrafe
in den USA in den letzten 10 Jahren nachgelassen hat. Ich glaube, 1990
haben ungefähr 80% aller Amerika die Todesstrafe unterstützt.
Bei einer vor kurzem durchgeführten Umfrage hat man festgestellt,
dass nur noch 65% dafür sind. Ich weiss nicht, warum das so ist. Vermutlich
hängt es damit zusammen, dass sich bei sehr vielen zum Tode verurteilten
Leuten später ihre Unschuld herausgestellt hat. Es ist schön
zu sehen, dass 15% der Amerikaner ihre Meinung geändert haben und
nicht wollen, dass unschuldige Menschen getötet werden. Aber man muss
sich trotzdem über die verbleibenden 65% wundern. Sie sind weiterhin
für die Todesstrafe, obwohl sich bei fast 90 Leuten, die zum Tode
verurteilt waren später deren Unschuld herausgestellt hat. Einige
von ihnen hatten 15 bis 20 Jahre in der Todeszelle gesessen, ehe man sie
frei liess.
Ich habe wenig Hoffnung, dass Amerika die Todesstrafe in naher Zukunft
abschaffen wird. Die USA sind zu fest mit dieser barbarischen Methode verbunden,
um sie bald zu ändern. Zu viele Politiker wurden in ihr Amt gewählt,
weil sie (teilweise) die Todesstrafe oder andere drakonische Massnahmen
des amerikanischen Rechtssystems propagierten. Einer der meistbenutzten
Wahlslogans den man von Politikern bei jeder Wahl hört, lautet 'ICH
WERDE UNNACHGIEBIG GEGEN DIE KRIMINALITÄT VORGEHEN'. Die Politiker
sind nicht in der Lage ihren offiziellen Standpunkt bezüglich der
Todesstrafe und anderen harten Strafmethoden, die die amerikanischen Justiz
an ihren Bürgern vollzieht, zu ändern.
Meiner Meinung nach wird Amerika erst dann die Todesstrafe abschaffen,
wenn entsprechend starker Druck von den europäischen Ländern
ausgeübt wird. Ich weiss, dass Italien die USA sehr lautstark gedrängt
hat die Todesstrafe abzuschaffen, genauso wie einige andere Staaten Europas.
Aber ich denke, es bedarf einer gemeinsamen und starken Aktion aller europäischen
Länder, um die USA davon zu überzeugen diese Praxis zu beenden.
Einer Anstrengung ähnlich der, die die EU gemacht hat um die frühereren
Staaten der Sowjetunion davon zu überzeugen in ihren Ländern
die Todesstrafe abzuschaffen. Wie bestürzt war ich als ich hörte,
wie viele europäische Staaten sich beeilten Georg W. Bush zu seiner
Präsidentschaft zu gratulieren. Ich vermute, Diplomatie ist für
Politiker viel wichtiger als zu ihrem Standpunkt bezüglich einer Massnahme
wie der Todestrafe zu stehen.
Ich glaube, es gibt nur eine Möglichkeit um Amerika (und die Amerikaner)
von der Todesstrafe abzubringen, nämlich wenn sie anfangen Geld zu
verlieren. Amerika verhängt gerne Sanktionen über andere Länder,
wenn es glaubt, dass das was dort passiert, falsch sei. Daher ist es nur
fair wenn jedermann in Italien (und Europa), der nicht mit der Todesstrafe
in den USA übereinstimmt, seine eigenen persönlichen Sanktionen
über die USA verhängt. Die könnten darin bestehen, keine
amerikanischen Produkte mehr zu kaufen oder den Urlaub nicht mehr in den
USA zu verbringen. Man sollte dann aber auch die amerikanische Regierung
darüber informieren und ihr die Gründe erklären. Ich glaube,
wenn nur einer von zehn Europäern so handeln würde, hätte
das Thema in Amerika reichlich Aufmerksamkeit. Denn es sind die Firmen,
die in Amerika die Dinge bestimmen und die Wirtschaft am laufen halten.
Wenn die Firmen wegen der Todesstrafe Geld verlieren, werden sie garantiert
etwas dagegen unternehmen..
Eine weitere Möglichkeit, die die Menschen in Italien (und Europa)
haben, ist folgende. Viele Amerikaner reisen als Touristen nach Europa.
Wenn man welche von ihnen trifft sollte man ihnen die eigene Meinung über
die Todesstrafe in den USA sagen. Ich vermute vielen Amerikanern ist gar
nicht klar, dass ihre Unterstützung der Todesstrafe falsch ist. Wenn
sie das aber sogar von Menschen in anderen Ländern zu hören bekommen,
überdenken sie ihre Einstellung vielleicht noch einmal.
Dies sind einige der Möglichkeiten, die die Europäer meiner
Meinung nach haben, um gegen die Todesstrafe hier in den USA zu kämpfen.
Und das kann jeder individuell machen, ohne darauf warten zu müssen,
dass seine Regierung etwas unternimmt.
Amerika hat in der Vergangenheit viele gute Dinge gemacht und hat der
Welt geholfen ein Ort zu werden, wo Demokratie und Gerechtigkeit eine Lebensart
ist und nicht nur ein Scherzartikel. Aber Amerika ist träge geworden,
wie ein alternder Athlet, der sich auf seinem früherem Ruhm und Erfolg
ausruht und heute jeden Tag in der Kneipe sitzt und für ein Freibier
die Schultern noch mal aufbläst und damit prahlt, was er in der Vergangenheit
alles vollbracht hat. Amerika hat etwas besseres verdient. Anstatt sich
auf dem, was es früher getan hat, auszuruhen, sollte es nach vorne
schauen und der Welt führend demonstrieren, wie Demokratie und Gerechtigkeit
auszusehen haben. Man kann nur eine Zeit davon zehren, was man früher
vollbracht hat. Irgendwann werden die Geschichten alt und langweilig und
dann ist es an der Zeit zu beweisen, dass man immer noch denselben Charakter
hat und auch die Visionen wie früher.
Ich bin sicher, die meisten Menschen kennen den traurigen Rekord, den
George W. Bush während seiner Zeit als Gouverneur von Texas durch
die Tötung so vieler Menschen aufgestellt hat. Nun ist er der Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie konnte es nur passieren, dass
so viele Amerikaner einen Mann gewählt haben, der sich damit brüstete,
vor jeder Genehmigung einer Exekution in höchstens 15 Minuten den
Fall überprüft zu haben?
Ich schäme mich, dass Amerika einem Mann erlaubt Präsident
zu sein, für den ein menschliches Leben nicht mehr wert ist als 15
Minuten (höchstens). Meine Gefühle für die Zukunft der Todestrafe
in Amerika sind nicht sehr optimistisch, wenn ein Mensch wie Bush hier
Präsident sein kann.
Passt auf Euch auf,
Dean